Zum Buch:
Annett ist stolz auf ihre Tochter Linn, die als Umweltvolontärin schon während ihres Studiums in vielen Ländern Europas unterwegs war und jetzt in Berlin in einem Aufforstungsprojekt mitarbeitet. Linns Arbeit schenkt Annett Hoffnung auf eine bessere Zukunft – aber zu welchem Preis! Als Linn auf einer Tagung an der Ostsee zusammenbricht, muss sich Annett dem eigenen Lebensentwurf, der Vergangenheit und auch der Frage stellen, wie viel Fürsorge ein Leben in Freiheit verträgt. Der Mutter-Tochter-Roman wurde mit dem diesjährigen Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet und ist so spannend wie ein Krimi.
Im Krankenhaus an der Ostsee angekommen, fragt sich Annett, wann sie zum letzten Mal mit ihrer Tochter in einem Zimmer geschlafen hat. Linn ist gleich nach dem Abitur aus der kleinen Stadt am nordfriesischen Wattenmeer aufgebrochen, hat Annett dort zurückgelassen. Die Bibliothekarin war nach dem frühen Tod ihres Mannes als alleinerziehende Mutter rund um die Uhr beschäftigt, seit Linns Aufbruch ist Annetts Leben zum Stillstand gekommen.
Ihre Gedanken kreisen auch jetzt, als Linn bei ihr einzieht, um wieder zu Kräften zu kommen, mehr um die berufliche Zukunft der Tochter als um ihr eigenes Leben; es läuft ja in eingefahrenen Bahnen, ohne großen finanziellen Spielraum, ohne große Veränderungen.
Die beiden Frauen, als Mutter und Tochter Erwachsene auf Augenhöhe, stellen gegenseitig vieles von dem, was sie aneinander beobachten, in Frage. Linn beschäftigt sich mit der Vergangenheit, mit dem Vater, an den sie sich kaum erinnern kann, und findet, dass Annett ihr so einiges vorenthalten hat. Annett erlebt es als bedrohlich, dass Linn, anstatt an ihrer beruflichen Zukunft zu arbeiten, einen Aushilfsjob in der Bäckerei vor Ort annimmt.
Wie sehr sie ihr Leben heruntergedimmt hat, denkt Annett am Ende, und auch Linn hat in der gemeinsamen Zeit einiges dazugelernt. Von den fruchtbaren Auseinandersetzungen zwischen Mutter und Tochter erzählt Kristine Bilkau in einem so frischen Ton, dass man immerzu weiterlesen möchte.
Susanne Rikl, München