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Isaac Ariail Reed ist Professor für Soziologie an der University of Virginia, Charlottesville.
In welchem Verhältnis stehen sozialwissenschaftliche Theorie und evidenzbasierte Forschung? Isaac Ariail Reed, Professor für Soziologie in Virginia, stellt erneut die älteste Gretchenfrage seines Fachs. Der Experte für politische Theoriegeschichte tritt reduktionistischen Wissenschaftsmodellen entgegen und bespricht in diesem kurzen Band seine Forschungsstrategie der „maximalen Interpretation“.
(ausführliche Besprechung unten)
In welchem Verhältnis stehen sozialwissenschaftliche Theorie und evidenzbasierte Forschung? Isaac Ariail Reed, Professor für Soziologie in Virginia, stellt erneut die älteste Gretchenfrage seines Fachs. Der Experte für politische Theoriegeschichte tritt reduktionistischen Wissenschaftsmodellen entgegen und bespricht in diesem kurzen Band seine Forschungsstrategie der „maximalen Interpretation“.
Anhand der berühmten Hexenprozesse von Salem in den USA im Jahr 1692 erklärt Reed das Dilemma einfacher kausaler Erklärungen: Ganz offensichtlich lässt sich nicht einfach ein bestimmter „Grund“ für das Aufflammen einer Panik vor Hexerei isolieren, die immerhin 20 Menschen das Leben kostete und hunderte in peinliche Gefängnisaufenthalte zwang. Eine angemessene Erklärung müsste so viele Hintergrundannahmen zum 17. Jahrhundert und gleichzeitig normative Urteile über dessen Lebensweise mit berücksichtigen, dass es schwer würde, gleichzeitig den Anforderungen einer positiven Wissenschaftlichkeit zu genügen. Schon die geläufige Rede von der soziologischen Erklärung verdeckt diese Problematik teilweise, wurzelt die „Nachfrage“ doch in einer explizit normativen Perspektive, sprich: einer vollumfänglichen Interpretation der Situation.
Mit seinem Vergleich von drei Erkenntnisarten will Reed diesem Dilemma auf den Grund gehen, das man auf der anderen Seite des Atlantiks vielleicht „Totalität“ genannt hätte. Wenn es stimmt, dass Realismus der Revolution der Logik durch die Praxis des Labors und die Normative Theorie der Erfahrung der demokratischen Versammlung entspringt, worauf stützt sich dann die dritte, interpretative Schule des Denkens? Reed diskutiert die Geltung soziologischer Sätze zwischen Habermas, Geertz und Foucault und greift die Diskussion um die strukturale Kausalität wieder auf, ohne sich allzu lange in deren Aporien aufzuhalten. Ein Lesebuch mit vielen Anhaltspunkten für Interessierte und ein Einblick in eine zeitgenössische Strömung der amerikanischen Soziologie.
Florian Geissler, Karl Marx Buchhandlung, Frankfurt