Zum Buch:
Es sind unruhige Zeiten in Frankreich gegen Mitte des 16. Jahrhunderts. Im Zuge der Reformationsbewegung bekämpfen sich Hugenotten und Ultrakatholiken in einem erbitterten Religionskrieg bis aufs Blut. Heinrich III., Thronerbe und Marionette Katharina de Medicis, ist unerfahren und daher schwach. Der Schatten der Inquisition breitet sich über Europa aus, die Pest steht vor den Toren von Paris, und zu allem Übel nutzen ganze Regimenter umherziehender Marodeure die Gunst der Stunde, plündern, brandschatzen und morden.
Im Winter 1588 wird der Schriftsteller Michel de Montaigne, Spross einer durch den Handel mit Fisch und Wein reich gewordenen Familie, nach Paris berufen, um dort als Emissär unter den seit Jahrzehnten zerstrittenen Religionsparteien zu vermitteln. Er ist sich darüber im Klaren, durch seine prekäre Stellung als Landedelmann, Jurist, einstiger Bürgermeister wider Willen und dazu noch bekennender Katholik verwundbar zu sein, doch nimmt er die Gefahr willentlich in Kauf. Denn in der Hauptsache sieht sich Montaigne als Humanist und Schriftsteller, weshalb er auch in ganz eigener Sache unterwegs ist: Um sie einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, führt der unglücklich verheiratete und an Nierensteinen erkrankte Philosoph das Manuskript der nunmehr vierten Überarbeitung seiner Jahre zuvor erschienen Essays in der Reittasche mit sich.
In seinen „Versuchen“ hat sich der eifrige Menschenforscher über so unterschiedliche Themen wie Freundschaft, Aberglaube, Ernährung, Pferde oder die Erziehung von Kindern geäußert und damit zugleich eine Anleitung zum Leben erschaffen. Am liebsten jedoch – was er auch ohne Umschweife zugibt – schreibt er über sich selbst. Und hat damit unwissentlich eine heute nicht mehr wegzudenkende Literaturgattung erfunden.
In einem Waldstück in der Dordogne werden Montaigne und seine kleine Entourage von Banditen gestellt, misshandelt und ihrer Habseligkeiten beraubt. Als klar wird, welcher Fisch ihnen da ins Netz gegangen ist, wird der Philosoph zunächst entführt, um ein Lösegeld zu erpressen, doch durch eine günstige Fügung setzt man ihn bald schon wieder auf freien Fuß – mitsamt seinem Manuskript.
Man muss die Essays, die heutzutage in den unterschiedlichsten Übersetzungen und Verlagen vorliegen, nicht einmal gelesen haben, um sich in Volker Reinhardts herausragender, mit historisch verbürgten Anekdoten gespickter Biografie zurechtzufinden. Indem er Leben und Werk Montaignes von Beginn an im zeithistorischen Kontext darstellt, erschließt sich dem Leser nicht nur ein gänzlich neuer Blick auf dessen bahnbrechendes Hauptwerk, sondern auch auf eine bedeutende, von Umstürzen reiche Epoche. Und Volker Reinhardt zu lesen ist grundsätzlich immer eine Bereicherung.
Axel Vits, Köln