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Ein Album aus Auschwitz

Autor
Bruttmann, Tal; Hördler, Stefan; Kreutzmüller, Christoph

Ein Album aus Auschwitz

Untertitel
Die fotografische Inszenierung des Verbrechens
Beschreibung

Das Auschwitz-Album, dessen Entstehung und Entdeckung hier erstmals rekonstruiert wird, ist eine einzigartige historische Fotosammlung, welche die Ankunft ungarischer Jüdinnen und Juden in Auschwitz-Birkenau im Mai und Juni 1944 dokumentiert. Achtzig Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers und erst nach akribischer Recherche gelang es, die Abzüge der SS-Fotografen einer zeitlich verbürgten Abfolge zuzuweisen, wodurch eine weitere Lücke zum genaueren Verständnis des Holocaust geschlossen werden konnte.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Wallstein Verlag, 2025
Seiten
304
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-8353-5743-3
Preis
38,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Tal Bruttmann ist einer der führenden Forscher der antijüdischen Maßnahmen während der deutschen Besatzung Frankreichs. Von 2001 bis 2011 hat er das Forschungsprojekt der Stadt Grenoble über die Arisierungen in der Stadt und der Umgebung geleitet und danach eine Ausstellung über die Arisierungspolitiken im Memorial de la Shoa kuratiert.

Stefan Hördler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Georg-August-Universität Göttingen und Visiting Professor an der School of Arts & Humanities der University of Huddersfield. Zuvor war er an Universitäten und Forschungsinstituten in Deutschland, Österreich und den Vereinigten Staaten tätig. Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin und Tiburtius-Preis (1. Preis). Zahlreiche Veröffentlichungen zur NS- und Zeitgeschichte. Seit mehr als zehn Jahren Gutachter in Verfahren wegen NS-Verbrechen. Seine aktuellen Forschungen konzentrieren auf Industriegeschichte und Deindustrialisierung seit den 1970er Jahren.

Christoph Kreutzmüller, geb. 1968, ist seit 2017 Vorstandsvorsitzender des Vereins Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin. Seit Juli 2023 ist er Co-Projektleiter des Projekts »Last Seen. Bilder der NS-Deportationen« am Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg.

Zum Buch:

Nachdem im April 1945 die Befreiung des Buchenwald Außenlagers Dora-Mittelbau gelang, kam für die meisten Häftlinge dennoch jede Rettung zu spät. Diejenigen aber, die überlebt hatten, suchten Schutz in den von den geflüchteten SS-Schergen verlassenen Baracken, darunter die ungarische Jüdin Lili Jacob, geborene Zelmanovic, die, von Auschwitz hierher verlegt, nun von hilfreichen Händen gepflegt wurde.

Eines Nachts sucht sie nach zusätzlicher warmer Kleidung, wühlt in einem Schrank und entdeckt, unter einem Pyjama verborgen, ein Fotoalbum, das die Ankunft ungarischer Juden in Auschwitz anhand von Fotos dokumentiert – aufgenommen von den SS-Fotografen Walter und Hofmann.

Sie sieht Männer, Frauen und Kinder, die, in Waggons gepfercht, nach tagelanger, beschwerlicher Reise verwirrt und ängstlich im Lager angekommen sind. Sie sieht die vielen Kleinkinder an den Händen ihrer Mütter, die unschuldig offen direkt in die Kamera schauen. Dann eine junge Frau mit Kopftuch, die dem Fotografen die Zunge herausstreckt, Frauen in Zivilkleidung, aber mit geschorenen Häuptern, die in Reih und Glied stehen, und SS-Schergen, die auf der Rampe Selektionen durchführen. Sie sieht die Stöcke, die Peitschen und die Hunde. Plötzlich hält sie inne. Dort, auf einem der zahlreichen Fotos der zum Tode Verurteilten erkennt sie den Rabbiner ihrer Heimatstadt wieder, dann weitere bekannte Gesichter – und schließlich Angehörige ihrer eigenen Familie.

Später wird Lili Jacob das Album den Anklägern des von Dezember 1963 bis August 1965 im Landgericht Frankfurt am Main stattfindenden Auschwitzprozesses zur Verfügung stellen; ein maßgebliches Zeugnis für die Gräueltaten der Naziherrschaft. Und erst dort, in Frankfurt, wo sie auch selbst als Zeugin auftritt, wird sie erfahren, dass von den 400.000 deportierten ungarischen Jüdinnen und Juden lediglich 20.000 überlebt haben.

Das Auschwitz-Album, dessen Entstehung und Entdeckung hier erstmals rekonstruiert wird, ist eine einzigartige historische Fotosammlung. Achtzig Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers und erst nach akribischer Recherche gelang es, die Abzüge der SS-Fotografen einer zeitlich verbürgten Abfolge zuzuweisen, wodurch eine weitere Lücke zum genaueren Verständnis des Holocaust geschlossen werden konnte.

Axel Vits, Köln