Zum Buch:
Kakao, einst die kostbare „Speise der Götter“, heute im wahrsten des Wortes in aller Munde, ohne dass wir uns Gedanken darüber machen, welchen Preis unsere Süßigkeiten tatsächlich haben, und zwar vor allem für andere. Die amerikanische Autorin Tara Sullivan nimmt sich in ihrem aufwühlenden Jugendbuch The bitter Side of Sweet dem Thema moderner Arbeitssklaverei in Westafrika an. Weil es eindringlich und direkt Kinderarbeit und die aktuellen, unglaublichen Missstände auf Kakaoplantagen in Côte d’Ivoire und Ghana zum Thema macht, ist es ein schonungsloses Buch, das einem noch lange nachgeht.
Nun zur erzählten Geschichte: In Mali herrscht mal wieder eine langanhaltende Dürre, so dass in vielen Familien nicht mehr alle satt werden. So kommt es, dass Amadou und sein jüngerer Bruder Seydou von den Großeltern auf den Weg ins Nachbarland geschickt werden, um ein Jahr lang auf einer Plantage zu arbeiten. Als die Handlung aus Sicht des Icherzählers Amadou einsetzt, sind allerdings schon zwei Jahre vergangen, und Geld haben die Brüder noch keines gesehen. Ein früher Fluchtversuch scheiterte, und so hat es sich Amadou zur Aufgabe gemacht, nicht mehr nachzudenken, nicht mehr zu hadern, sondern seinen für diese Arbeit viel zu jungen Bruder zu beschützen, für ihn mit zu ernten und das Tagessoll zu erfüllen, so dass abends beide wenigstens etwas zu essen bekommen. Mit ihnen arbeiten noch andere Jungs unter denselben menschenunwürdigen Bedingungen. Kontakt oder gar Solidarität gibt es untereinander allerdings kaum, jeder versucht, so gut es eben geht zu überleben. Die Aufseher verbreiten Angst und Schrecken.
Bewegung kommt in diesen tristen Arbeitsalltag, als Khadija auf die Plantage gebracht wird. Das Mädchen ist rebellisch, wehrhaft und offenbar nicht an körperliche Arbeit gewöhnt. Auch ihr Fluchtversuch misslingt und hat grausame Bestrafungen der Aufseher zur Folge. Amadou ist von der „Wildkatze“ einerseits fasziniert, andererseits auch auf der Hut, weil er in diesen neuen Konfliktherd auf der Farm nicht hineingezogen werden will. Er weiß ja, wie sinnlos diese Fluchtversuche sind und hat sich mit seinem Schicksal abgefunden. Eigentlich …
Erst der Unfall seines kleinen Bruders, den zu beschützen seine Lebensaufgabe geworden ist, macht ihm klar, dass sie doch alles auf eine Karte setzen müssen, um von der Plantage wegzukommen. Und damit beginnt eine packende Road Novel.
Tara Sullivan hat einen erschütternden und wichtigen Jugendroman über heutige Arbeitsbedingungen im globalen Süden geschrieben. In klarer, authentischer Sprache lässt uns die Autorin durch die Augen ihres 15-jährigen Protagonisten tief in den brutalen Arbeitsalltag von geschätzten 1,56 Millionen Kindersklaven blicken, einen Alltag, der für uns fast unvorstellbar ist. Das im Peter Hammer-Verlag erschienene Buch erinnert an die Wichtigkeit von Lieferkettengesetzen und weltweitem Arbeitsschutz, besonders für Kinder, auf den wir mit unseren Kaufentscheidungen jeden Tag Einfluss nehmen können.
Man braucht nicht politisch engagiert zu sein, um dieses unglaublich spannende Jugendbuch über Mut, Freundschaft und globale Gerechtigkeit mit großem Gewinn zu lesen – aber vielleicht wird man es danach.
Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt