Zum Buch:
Issa ist schwanger und sitzt im Flugzeug nach Kamerun. Ihre Mutter hatte sie sehr unter Druck gesetzt, weil sie glaubt, dass Issa und das Ungeborene unbedingt den Segen der Ahnen für eine reibungslose Schwangerschaft und Geburt benötigten. Eigentlich sieht sich Issa als Deutsche und hegt als Teil der afrikanischen Diaspora ziemlich ambivalente Gefühle gegenüber dem Land ihrer Kindheit und den dort im Alltag üblichen Ritualen. Dennoch will sie die Reise nutzen, um sich über ihre Beziehung zu ihrem Freund – den sie nur Kindsvater nennt – und über ihre zukünftige Rolle als Mutter klar zu werden. Schnell ist jedoch offensichtlich, dass sie in Kamerun zu „weiß“ für die Menschen vor Ort ist, die sie als reiche Europäerin einordnen, so wie sie für Deutschland schon immer zu schwarz war, um wirklich Deutsch zu sein.
Issas Besuch bei ihren Großmüttern, denen gegenüber sie sich fremd und gleichzeitig tief verbunden fühlt, und die teils sehr humorvolle Schilderung der an heutige Gegebenheiten angepassten lokalen religiösen Bräuche wird durch Rückblicke zum Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ergänzt. Die Geschichte Kameruns und Deutschlands oft verdrängte Rolle als brutale Kolonialmacht wird greifbar durch die Lebensgeschichte der Frauen in Issas Familie. Ein ganzes Jahrhundert umspannt diese zweite Zeitebene und setzt dabei verschiedenste Puzzlestücke der Identität einer jungen, schwarzen Frau zusammen, die in ihrem deutschen Umfeld die Frage „Woher kommst Du?“ schon lange nicht mehr hören kann.
Die Autorin Mirrianne Mahn, die gleichzeitig politische Aktivistin, Theatermacherin und Stadtverordnete in Frankfurt am Main ist und sich auf verschiedenen Ebenen für Diversitätsentwicklung und Antidiskriminierung einsetzt, hat einen großartigen und sehr lesenswerten Roman über Herkunft, Kolonialgeschichte, moderne Spiritualität und die Möglichkeiten individueller Versöhnung geschrieben.
Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt