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Metropol

Autor
Ruge, Eugen

Metropol

Untertitel
Roman
Beschreibung

Im Sommer 1936 machen Charlotte Umnitzer und ihr Lebensgefährte Wilhelm Baumgarten Urlaub am Schwarzen Meer. Wilhelm, der in Deutschland für die Kommunistische Partei geheime Aufträge erfüllt hat, ist nach dem Sieg der Nationalsozialisten nach Russland gegangen, und Charlotte ist ihm mit den beiden Söhnen aus ihrer vorherigen Ehe gefolgt. Beide arbeiten in Moskau bei der OMS, dem Nachrichtendienst der Komintern. Aber die Atmosphäre auf „Punkt Zwei“ ist unerträglich geworden und Wilhelm ohne neue Aufträge kaltgestellt.

In der ersten Nacht auf dem Dampfer von Batumi nach Jalta liest Charlotte in einer ausliegenden Zeitung von dem anstehenden Prozess gegen „trotzkistische Volksfeinde“ und findet unter den Namen der Angeklagten den von M. Lurie, alias Alexander Emel – an den Charlotte durchaus angenehme Erinnerungen hat, was sich nun aber von einem Moment auf den anderen als großer Fehler erweisen könnte …

Metropol ist eine fesselnde, beklemmende Studie über Menschen in einem totalitären System, dessen Regeln undurchschaubar sind. Darüber, was mit Menschen geschieht, die nie wissen, ob sie die nächsten sein werden und die sich mit aller Kraft daran festhalten, dass die Partei Recht hat.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Rowohlt Verlag, 2019
Seiten
432
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-498-00123-0
Preis
24,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Eugen Ruge wurde 1954 in Soswa (Ural) geboren. Der diplomierte Mathematiker begann seine schriftstellerische Laufbahn mit Theaterstücken und Hörspielen. Für “In Zeiten des abnehmenden Lichts” wurde er unter anderem mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Zuletzt erschienen die Bände “Theaterstücke” und “Annäherung” sowie die Romane “Cabo de Gata” und “Follower”.

Zum Buch:

Im Sommer 1936 machen Charlotte Umnitzer und ihr Lebensgefährte Wilhelm Baumgarten –Decknamen Lotte und Jean Germaine – Urlaub am Schwarzen Meer. Wilhelm, der in Deutschland für die Kommunistische Partei geheime Aufträge erfüllt hat, ist nach dem Sieg der Nationalsozialisten nach Russland gegangen, und Charlotte ist ihm mit den beiden Söhnen aus ihrer vorherigen Ehe gefolgt. Beide arbeiten in Moskau bei der Agentenorganisation OMS, dem Nachrichtendienst der Komintern. Aber die Atmosphäre auf „Punkt Zwei“ ist unerträglich geworden und Wilhelm ohne Aufträge kaltgestellt.

In der ersten Nacht auf dem Dampfer von Batumi nach Jalta liest Charlotte in einer ausliegenden Zeitung von einem anstehenden Prozess gegen „trotzkistische Volksfeinde“ und findet unter den Namen der Angeklagten den von M. Lurie, alias Alexander Emel – ein Bekannter, an den Charlotte durchaus angenehme Erinnerungen hat, was sich nun aber von einem Moment auf den anderen als großer Fehler erweisen könnte …

Zurück in Moskau werden Charlotte und Wilhelm plötzlich und ohne Begründung – wie viele ihrer Kollegen – im Hotel Metropol untergebracht, wo sie untätig herumsitzen. Beim täglichen Mittagessen im Speisesaal beobachten sie, wie die anfängliche Zahl einquartierter Kollegen stetig zunimmt und dann in kürzester Zeit immer weniger wird. Die fehlenden finden sich kurz danach auf der Liste derer, die als „Volksfeinde“ angeklagt sind.

Der mit der Verhaftung von “Emel“ beginnende Prozess einer schleichenden Paranoia nimmt im Laufe der kommenden Monate zunehmend Fahrt auf. Versuchen Charlotte und Wilhelm anfangs noch, durch eine tagelang immer wieder umformulierte, „Selbstanzeige“ ihr Verhältnis zu „Emel“ kleinzureden, kreisen ihre Gedanken irgendwann nur noch darum, wer wann was zu wem gesagt hat und wer wann mit wem gesehen worden sein könnte. In Endlosschleifen spielt Charlotte imaginierte Verhöre durch. Letztlich drehen sich alle Gedanken darum, nicht selbst in die Mühle des NKWD zu geraten – was zu völliger innerer und äußerer Isolation führt. Denn jeder, mit dem man sich heute noch austauscht, kann sich morgen als „Volksfeind“ entpuppen. Je schneller sich das Rad der Verhaftungen dreht und die Ankläger von gestern zu den Verrätern von heute werden, umso weniger darf an den Handlungen der Partei gezweifelt werden. Denn nur so kann Charlotte trotz ihrer inneren Zweifel noch glauben, was Wilhelm ihr sagt: „Uns kann nichts passieren, denn wir haben nichts getan.“

Charlotte und Wilhelm, Lesern von Ruges erstem Roman In Zeiten des abnehmenden Lichts bekannt, sind die Hauptpersonen in Metropol. Sie und zwei weitere Protagonisten – Wilhelms erste Frau Hilde und Wassili Wassiljewitsch Ulrich, der Vorsitzende Richter in den Moskauer Schauprozessen – stehen neben einigen Nebenfiguren im Zentrum des Buches, das sich auf die kurze Zeit von September 1936 bis Januar 1938 beschränkt. Diese wenigen Personen und der kurze Zeitraum reichen Ruge aus, um ein beklemmendes Bild des stalinistischen Terrors zu zeichnen: Ein Netz aus Bespitzelung und erpressten Falschaussagen, in das jeder geraten kann, ohne zu wissen weshalb. Und hier trifft es Personen, die sich auf der Seite der Fortschrittlichen, als Handelnde im Zentrum der Macht glaubten und die umso weniger fassen können, was ihnen geschieht.

Egon Ruge nennt Metropol, das nach seiner Aussage näher an der Wirklichkeit ist als das vorherige, ein Buch darüber, „was Menschen zu glauben bereit, zu glauben imstande sind“. Das ist erschreckend und erhellend zugleich und lässt einen so schnell nicht wieder los.

Ruth Roebke, Bochum