Zum Buch:
Zwei Frauenleben zwischen London und Zaire bzw. der demokratischen Republik Kongo, zwischen den 1970er und den 2000er Jahren, zwischen Befreiung, Revolution und Bürgerkrieg. Mira wächst in den 1970er Jahren nach der Unabhängigkeit in Zaire in der Regierungszeit Mobutus auf. Ihre Familie ist angesehen, regimetreu und wohlhabend, ihre große Schwester schon verheiratet und arbeitet als Ärztin. Mira dagegen liebt Stoffe und Farben; sie träumt davon, Modedesignerin zu werden. Davon halten ihre Eltern allerdings nichts, genauso wenig wie von Miras großer Liebe, einem mittellosen Musiker. Als Mira schwanger wird und sich weigert, den Namen des Kindsvaters zu verraten, wird sie von ihrer Familie verstoßen und verlässt nach der Geburt des Kindes das Land.
Rund dreißig Jahre später, lebt Bijoux in London bei ihrer Tantine Mireille, bei der ihre Mutter sie nach dem Sturz Mobutus zurückgelassen hat. Das Kind hat nie verstanden, welche Umstände sie aus ihrem wohlbehüteten Leben im Kongo herausgerissen und zu einem Leben in einem heruntergekommenen Londoner Wohnblock mit der lieblosen fremden Schwester ihrer Mutter verurteilt haben, einer Frau, die nichts anderes kennt als schuften und in der kongolesischen evangelikalen Kirche zu beten.
Bijoux weiß schon früh, dass sie Frauen liebt, was ihre Tante und natürlich die Kirchengemeinde auf keinen Fall erfahren darf. Und doch ist es ausgerechnet die Kirche, in der sie ihre große Liebe findet. Und in der sie später auf Wunsch des Pastors dieser Liebe abschwören und stattdessen seinen Sohn heiraten soll. …
Christina Fonthes montiert die Geschichte ihrer beiden Protagonistinnen so geschickt, dass man der Erzählung mit zunehmender Spannung folgt, von Kinshasa über Paris bis nach London und zurück. Stückweise werden Zusammenhänge sichtbar, verbindet sich Mireilles Lebensweg mit dem verzweifelten Kampf Bijoux‘ um ihre Identität und Authentizität, bröckelt das zunächst festzementierte Schweigen und ermöglicht den Blick auf Zusammenhänge, auf Scham, Schuld und Verrat. Das liest sich spannend wie ein Krimi, und man atmet erleichtert auf, als nicht nur Mireille und Bijoux endlich ihr Schweigen brechen können, sondern auch die ganze Großfamilie wieder im Gespräch zusammenfindet.
Wohin du auch gehst ist ein großartiges, spannendes, wunderbar lesbares Buch über die Vielfalt der Kulturen und den Wert der Offenheit, die zunächst gefährlich und zerstörerisch scheint, aber letztlich unabdingbar für das menschliche Zusammenleben ist.
Irmgard Hölscher, Frankfurt a. M.