Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Stoker, Bram

Dracula

Untertitel
Roman. Aus dem Englischen von Andreas Nohl
Beschreibung

Oft kopiert und doch nie erreicht gehört Bram Stokers Roman „Dracula“ auch heute, hundertfünfzehn Jahre nach dessen Erscheinen, zu einem Klassiker der Weltliteratur. Die von Andreas Nohl herausgegebene und mit einem umfangreichen Nachwort versehene Neuübersetzung liegt jetzt im Steidl Verlag vor und lädt ein, diesen großartigen Roman einmal wieder zu lesen oder ganz einfach neu zu entdecken. Es gibt da immer noch diese Szenen, bei denen man sich so richtig schön gruseln kann.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Steidl Verlag, 2012
Format
Gebunden
Seiten
590 Seiten
ISBN/EAN
978-3-86930-462-5
Preis
28,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Abraham „Bram“ Stoker wurde 1847 als drittes von sieben Kindern in der Nähe von Dublin geboren. Der als Kind schwer kranke Stoker studierte später am Dubliner Trinity College Geschichte, Literatur, Mathematik und Physik, wurde anschließend Beamter der Justizverwaltung und schrieb nebenbei Theaterkritiken und Romane. Eine lebenslange Freundschaft mit dem damals berühmten Theaterschauspieler Henry Irving brachte Stoker dazu, diesem in der Figur des charismatischen Dr. Van Helsing ein literarisches Denkmal zu setzen.

Zum Buch:

Weshalb Bram Stoker seinen Roman, an dem er über 6 Jahre geschrieben hatte und der gerade kurz vor der Veröffentlichung stand, noch in allerletzter Minute in „Dracula“ umbenannte, weiß bis heute niemand. Denn eigentlich sollte er „The Undead“ heißen. Die Originalausgabe von „Dracula“ erschien dann 1897 in London und wurde von Kritikern entweder abschätzig belächelt oder – was eher der Fall war – völlig ignoriert. Ebenso wie es Herman Melville mit seinem „Moby Dick“ erging, erlebte der 1847 in Irland geborene Autor den späteren Weltruhm nicht mehr mit. Als Schriftsteller von über zehn Büchern, von denen heute nur „Dracula“ einer weltweiten Leserschaft bekannt geblieben ist, starb Bram Stoker im Alter von 65 Jahren in ärmlichen Verhältnissen in einem Vorort von London.

Der einzige Mensch, der damals felsenfest an den Erfolg von „Dracula“ glaubte, war, wie konnte es auch anders sein, Stokers Mutter. Und wie wir heute wissen, sollte sie recht behalten. Der Roman wurde bisher in fast 50 Sprachen übersetzt und wer weiß wie oft verfilmt. Den Namen Dracula kennt heute jeder. Aber, und somit eine weitere Parallele zu Melville, ebenso wie bei „Moby Dick“ kennen die meisten Menschen eher die eine oder andere Verfilmung, haben das Buch jedoch nie gelesen. Was schade ist. (In beiden Fällen.) Denn die Geschichte ist wirklich verdammt spannend geschrieben und gar nicht so blutrünstig, wie man sie aus Filmen kennt, denn anders als die Masse heutiger Autoren, die das Genre Horrorroman bedient, kommt Stoker völlig ohne Ströme von Blut und herausgerissenen Gedärmen aus, sein Stil ist um ein Vielfaches subtiler, wo andere quasi mit der Kamera voll draufhalten, zieht sich Stoker eher leise zurück und überlässt der Phantasie des Lesers einen Moment wohlig-gruseligen Erschauerns. Und wirklich, gerade in der Anfangssequenz, immer wieder mittendrin und dann natürlich zum Schluß, beim großen Showdown, bekam im mit meinen 44 Jahren noch eine richtiggehende Gänsehaut. Na gut, das vielleicht nicht, aber gegruselt habe ich mich doch schon ein wenig.

„Dracula“, das wissen eigentlich nur die, die ihn auch gelesen haben, ist ein Montageroman, in dem anhand von Tagebucheintragungen, Protokollen und Briefen die Geschichte des weltbekannten Grafen erzählt wird, der tagsüber in seiner Burggruft in Transsylvanien in einem Sarg liegt und nachts als blutsaugender Vampir die Gegend unsicher macht, und der schließlich, mithilfe des jungen Anwalts Jonathan Harker, in die Großstadt London reist, um sich dort für weitere 500 Jahre gütlich zu tun. Bis er auf den Vampirjäger Van Helsing trifft, der ihm schließlich den Garaus macht. Aber das ist nur die Oberfläche, darunter, und das erschließt sich dem Leser durch die im Frühjahr erschienene Neuübersetzung von Andreas Nohl umso mehr, darunter liegt, wie bei Melville, eine enorme Vielfalt an schriftstellerischen Neuerungen, die zu akzeptieren die damalige Leserschaft allem Anschein nach noch nicht bereit wahr. Wir Heutigen können diesem großartigen Roman ein Vielfaches mehr abgewinnen, gerade in Zeiten einer regelrechten, um nicht zu sagen ausufernden Vampirrenaissance, hervorgerufen durch Bücher wie „Bis(s) zum Wer-Weiß-Was“ oder eben deren Verfilmungen.
Ich habe die Originalfassung nicht gelesen, aber zu der Neuübersetzung kann ich sagen, sie erscheint mir, mit zwei Ausnahmen, wirklich sehr gelungen. Nur wenn Andreas Nohl irgendwo mittendrin einen alten Seebären wie einen lupenreinen Ostfriesen dahernuscheln lässt oder weiter hinten jemandem das Wort „Kladderadatsch“ in den Mund legt, dann … na ja, dann sieht man eben ein wenig stirnrunzelnd darüber hinweg und liest umso gespannter weiter.

Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln