Zum Buch:
Mitten im Urwald Südamerikas, fernab jeglicher Zivilisation, findet am 28. November 1978 in Jonestown, Guayana, ein Massensuizid statt. Mütter schneiden ihren Kindern die Kehle durch, andere lassen sich erschießen. Die meisten trinken Gift. Männer, Frauen, Kinder, an diesem Tag sterben über 900 Sektenmitglieder der People`s Temple. Den Befehl dazu gibt der charismatische Reverend Jim Jones, Namensgeber und Gründer der Gemeinde, der von sich selbst behauptet, in seinem vorherigen Leben Jesus Christus und Lenin gewesen zu sein. Jim, oder »Father«, wie er sich gerne von seinen Jüngern nennen läßt, besitzt nicht nur hellseherische Fähigkeiten, er verfügt außerdem über die Gabe, Krebs- und Gichtkranke zu heilen. Jim kämpft gegen die Seuche des Kapitalismus an, er sorgt und kümmert sich um die Ausgestoßenen, die Schwachen, er nimmt sogar »kleine verlassene Tiere auf, die an seine Tür kommen und um Essen betteln«.
Er predigt Entsagung. Daß alle Männer (außer ihm) schwul, daß Lust und Begehren enorm schädliche Charakterfehler seien, ebenso wie persönlicher Besitz, selbstständiges Denken oder das Zurschaustellen männlicher Brustbehaarung.
Die Gemeinde der People`s Temple wächst und wächst. Jims Anhänger verkaufen Haus und Hof, verlassen Ehepartner, Familie, die eigenen Kinder; Millionen Dollar sammeln sich auf Spezialkonten in Südamerika und der Schweiz. Diejenigen Mitglieder, die die Gemeinde lieber wieder verlassen wollen, werden öffentlich gezüchtigt, werden psychischen wie physischen Misshandlungen unterzogen. Als das FBI ihm schließlich auf die Spur kommt, verkündet Jim/Father seinen Jüngern, er hätte das Gelobte Land entdeckt. Mitten im südamerikanischen Dschungel. Jonestown.
Deborah Layton, die mit 17 Jahren in die Gemeinde eintrat, die später sogar zum engsten Kreis um den Reverend gehörte und die wie so viele andere Frauen von diesem mehrmals mißbraucht wurde, hält die Situation in Jonestown nicht mehr aus. Entgegen aller Widrigkeiten gelingt ihr zwar die Flucht. Doch der Weg zurück ins Leben, ihre Rückkehr in die normale Gesellschaft sie tut sich äußerst schwer damit. Zwanzig Jahre später, als Mutter einer Tochter die Fragen stellt, gibt sie ihren Job auf und schreibt ein Buch, in dem sie zum ersten Mal ihre wahre Geschichte erzählt. Eine ganz außergewöhnliche Lektüre. Gut geschrieben, gut übersetzt, gutes Bildmaterial. Sehr gutes Buch.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln