Zur Autorin/Zum Autor:
Helmut Krausser, geboren 1964 in Esslingen, schreibt Romane, Erzählungen, Lyrik, Tagebücher, Hörspiele, Theaterstücke, Drehbücher und komponiert Musik.
Buenos Aires, 1902. Unterprivilegierter Pianist trifft überprivilegiertes Mädchen. Sie verlieben sich und fliehen, weil die Liaison dem schwerreichen Papa keinesfalls gefallen kann. Erpresst und gejagt wird das junge Paar vom fiesen Cousin, der wiederum in seine Cousine verschossen ist. Schifffahrt, Rio, Südamerika und rauschende Feste: Unwillkürlich gähnt man wohlig und erinnert sich an die vertrödelten Plots von Garcia Marquez – Lektüre für den fortgeschrittenen Halbschlaf also. Warum nicht.
Aber Helmut Krausser wäre nicht Helmut Krausser, wenn der so plakativ zurecht schablonierte Romantikstoff nicht eigentlich ein hintersinniger Schabernack wäre, eine ein bisschen gemeine Eulenspiegelei, die, ganz Krausser, einen Heidenspaß macht.
(ausführliche Besprechung unten)
Buenos Aires, 1902. Unterprivilegierter Pianist trifft überprivilegiertes Mädchen. Sie verlieben sich und fliehen, weil die Liaison dem schwerreichen Papa keinesfalls gefallen kann. Erpresst und gejagt wird das junge Paar vom fiesen Cousin, der wiederum in seine Cousine verschossen ist. Schifffahrt, Rio, Südamerika und rauschende Feste: Unwillkürlich gähnt man wohlig und erinnert sich an die vertrödelten Plots von Garcia Marquez – Lektüre für den fortgeschrittenen Halbschlaf also. Warum nicht.
Aber Helmut Krausser wäre nicht Helmut Krausser, wenn der so plakativ zurecht schablonierte Romantikstoff nicht eigentlich ein hintersinniger Schabernack wäre, eine ein bisschen gemeine Eulenspiegelei, die, ganz Krausser, einen Heidenspaß macht.
Francisca de Alameda, besagtes überprivilegiertes Mädchen, hat nämlich so gar keine Lust, sich wie ein bis zur Blödsinnigkeit verknallter Backfisch zu verhalten: Sie nimmt mit, was geht, und fühlt sich niemandem so wirklich verpflichtet. Jorge Jega, aka Jörg Jäger, der talentierte Pianist mit Geschichte, ist hingegen der liebenswürdig angetrottelte Idealist und Romantiker, der seiner Fluchtgefährtin so ergeben wie ausgeliefert ist, obwohl er derjenige ist, der als Outlaw mit Duell-Erfahrung ins gemeinsame Abenteuer losstolpert.
Die Figuren starten, dem scheinbar durchsichtigen Abenteuergeschichtchen gemäß, brav auf ihren scheinbar voraussehbaren Bahnen und verhalten sich auch erstmal erwartungsgemäß – bloß irgendwann eben einfach nicht mehr. Die Kitschromanze zerschellt am berechnenden Geist der Protagonistin, an der gnadenlos komischen Demontage des Protagonisten und an dem, tja, so realomäßigen Twist, der das ganze Theater mit nur einem Mord auf links zieht.
Und das macht riesig Spaß! Krausser arrangiert seine Figuren wie bei einer Schachpartie, die Ausgangslage ist hinreichend bekannt, das Sujet des Abenteuerromans mit den üblichen Figuren: Bunte Farben, Buenos Aires, Mar del Plata, Rio, Großkapital und Outlaw, Duell und Affäre, alles dran, alles da. Und plötzlich, ganz Schach, zwei Züge weiter, ist der mit dem Überblick plötzlich der Idiot. Aber eben auch der, der überrascht auflachen kann.
Für die Ewigkeit ist eine flotte Geschichte mit doppeltem Boden für, sagen wir vielleicht, vier hochamüsante Stunden auf der Couch. Die heiter bis derbe Romantik-Demontage ist intelligent arrangiert und szenisch erzählt, so dass die Laune keinesfalls auf der Strecke bleibt – wir haben es schließlich mit einem der genialsten Erzähler der zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur zu tun, der wirklich verstanden hat, wie Geschichten erzählt werden müssen. Die derbe Komik und die wohldosierte Grausamkeit im Umgang mit der einen oder anderen Figur gerät woanders vielleicht zu einer grobkörnigen Vergewaltigungsorgie, bei Krausser allerdings zum kalkulierten Einbruch der Realität in geistesverlorene Tagträumereien: Der Idealist verstolpert sich eben schnell in den verwirrenden Reichen des Unfugs. Ohne Realitätssinn wird’s schnell unübersichtlich.
Tolle Unterhaltung von einem, der sich nicht schämt, gute Unterhaltung zu produzieren, was für Hirn und Zwerchfell und garantiert eine Verkürzung dämmriger Herbststunden im Homeoffice.
Johannes Fischer, Frankfurt