Zum Buch:
Wir alle benutzen Geld. Wir zahlen mit Scheinen und Münzen, aber auch immer häufiger mit der EC- oder Kreditkarte. Wir benutzen unser(e) Zahlungsmittel ganz selbstverständlich, ohne uns viel Gedanken darüber zu machen, woher das Geld eigentlich kommt, wie und warum unser monetäres System funktioniert – zumindest bis zur nächsten Krise oder zum Crash.
Auf die Frage, warum er dieses Buch geschrieben habe, hat Paul Schreyer in einem Interview geantwortet, dass es ihn “…einfach interessiert, wie das Geldsystem funktioniert, wer in diesem System Verantwortung trägt und Macht ausübt”. Dankenswerterweise lässt Schreyer uns an seinen Erkenntnissen zu diesem wichtigen Thema teilhaben. Sein übersichtlich strukturiertes Buch ist in 13 Kapitel unterteilt. In der ersten Hälfte des Buches erklärt Schreier, wie Geld, Kredite und Banken funktionieren und welche Rolle dabei der Politik zukommt. Die zweite Hälfte des Buches ist historisch angelegt. Schreyer erläutert hier, wie unser Finanzsystem zu dem geworden ist, was es heute ist. Er spürt der Entstehung der Geldwirtschaft und den Bedingungen für die Gründung der ersten Privatbanken nach, rekonstruiert Ursprung und Dynamik der Staatsverschuldung und erläutert die Motive für die Etablierung von Staats- bzw. Zentralbanken. Als historisch entscheidende Momente der Entstehung unseres heutigen Geldsystems behandelt Paul Schreyer die folgenden drei Themenkomplexe ausführlich:
1. die finanzielle Situation Amerikas (um 1700) vor Gründung der USA bis 1900
2. die Entwicklungen in Preußen und dem Deutschen Reich von 1800 bis 1933
3. die Verbindung zwischen deutscher und amerikanischer Finanzgeschichte ab den 1920er Jahren
Schreyer erläutert die Prinzipien und Regeln, nach denen und von wem Geld geschaffen und wie es danach verteilt wird. En passant räumt er auch noch einige weit verbreitete Irrtümer aus dem Weg. Oder wussten Sie, dass nur das von den Zentralbanken, in unserem Fall also der EZB, geschöpfte Geld wahrhaftig als Scheine und Münzen vorhanden ist, dass es aber nur noch ca. 20% der kursierenden Geldmenge ausmacht? Die anderen 80%, das sogenannte Giralgeld, existiert nur in Form von Ziffern in den Buchungssystemen der Banken. Das funktioniert so: Mit jedem Kredit, den eine Bank vergibt, entsteht virtuell neues Geld, das das Bilanzvolumen der Bank wachsen lässt und ihre Macht vergrößert. Die sogenannten “systemrelevanten Banken” – Goldman Sachs, Barclays, Deutsche Bank, und noch weitere international agierende Großbanken – haben auf solche Weise mittlerweile fast die komplette Geldschöpfung und -verteilung weltweit übernommen. Schreyer stellt daher die Frage, wie es so weit kommen konnte; und ob den Banken eigentlich jemals das Recht zur Geldschöpfung verliehen wurde und wenn ja, von wem. Eine Antwort auf diese Frage findet er nicht. Auch der Begriff des “Interbankenhandels” dürfte wenigen geläufig sein. Er ermöglicht Banken, Waren und Dienstleistungen von Bürger/innen und Wirtschaft zu kaufen, ohne real dafür zu zahlen. Wie das funktioniert, wird in Schreyers Buch ebenso genau erklärt wie die entscheidende Rolle, die Wirtschaftsprüfer, Ratingagenturen, Unternehmensberatungen und Investmentfonds in unserem Geldsystem inne haben.
Informativ, aber schwer zu ertragen sind auch die Tatsachen, die Schreyer zu der Bankenkrise von 2008 zusammen getragen hat: Die Banken, die die Krise selbst erzeugt haben, ließen sich mit vielen Milliarden Steuergeldern retten und boten die bereit gestellten Mittel dann postwendend ihren Rettern als Staatskredite an. Da sowohl Firmen und Privatpersonen als auch fast alle Staaten mit Krediten bei den großen Geldinstituten verschuldet sind, wird deren gesellschaftliche und politische Macht zusehends größer. Banken zwingen ganze Staaten in die Knie, zuletzt Griechenland. Sie zwingen diese zur Veräußerung des kollektiven Eigentums und erwerben deren lukrativste Teile dann günstig selbst.
An einigen Stellen erfordert die Komplexität der Materie hohe Konzentration, doch ist das allemal die Mühe wert. Das Buch bietet eine immense Fülle an Informationen und beleuchtet Zusammenhänge im Detail. Auch belegt Schreyer seine Argumente mit zahlreichen Quellen, wohl um nicht als Verschwörungstheoretiker diskreditiert zu werden.
Mein persönliches Resümee nach der Lektüre dieses wichtigen Buches: Es ist überfällig, dass der Macht der Banken Einhalt geboten und Privatbanken das Recht auf Geldschöpfung entzogen wird, mit dem sie sich ohne jede demokratische Legitimation zentraler Steuerungsinstrumente bemächtigen. In der basisdemokratischen Schweiz wird es bald zu einer Volksabstimmung kommen, deren Initiatoren genau das erreichen wollen. Was bereits ohne eine so grundlegende Kursänderung jede/r tun kann, ist, das eigene Handeln im Geldsystem auf den Prüfstand zu stellen, auf den einen oder anderen Kredit vielleicht eher zu verzichten, weniger oft bargeldlos zu zahlen und sich vor allem genau zu überlegen, welcher Bank man seine Geldgeschäfte anvertrauen möchte. Es gibt mittlerweile etliche Banken, bei denen die Kund/innen mitentscheiden können, wo und wie investiert wird. Das Geld kann so wieder das werden, was es sein sollte: ein demokratisch verwaltetes Zahlungsmittel, das zum Wohle des Gemeinwesens an Banken verliehen wird, nicht anders herum.
Ralph Wagner, Ypsilon Buchladen & Café (Frankfurt)