Zum Buch:
Edmund de Waal, einem breiten Lesepublikum durch seine beeindruckende Familiengeschichte Der Hase mit den Bernsteinaugen bekannt, schreibt: „‘Ich bin Töpfer‘, sage ich, wenn man mich fragt, was ich mache. Ich schreibe auch Bücher, aber es ist Porzellan – weiße Gefäße -, die ich als mein Eigenes reklamiere.“ In seinem neuen Buch verbindet er beides und folgt dabei zwei Spuren: der Geschichte des Porzellans in China und dessen Entdeckung in Europa sowie seine eigene Suche als Töpfer nach dem absoluten Weiß.
De Waal sucht die mythischen Orte des Porzellans auf und nennt sein Projekt eine „Reise zu den drei weißen Bergen“. Es beginnt in China, in der Stadt Jingdezhen, seit über tausend Jahren das Zentrum chinesischer Porzellanherstellung. Folgt dann den Spuren der Porzellanmanie, die in Europa ausbricht und die Herrschenden dazu bringt, immense Summen für den Erwerb des „weißen Goldes“ auszugeben. Die Reise führt über Versailles nach Dresden an den Hof August des Starken, dann zur Entdeckung der speziellen Erden Petuntse und Kaolin und damit zur Porzellanherstellung und -fabrikation in Meißen durch von Tschirndorf und Böttger und weiter nach Plymouth zu Wedgewood.
Der Text ist ein Gewebe aus verschiedenen Strängen, die sich fortlaufend durchdringen. Die historische Suche geht über in de Waals Erinnerungen an die eigenen Anfänge, als er im Alter von fünf Jahren zu töpfern beginnt. Die Schilderungen der wahnwitzigen Leidenschaft der Sammler sind verflochten mit de Waals Suche nach dem – für ihn – absoluten Weiß. Die Darstellungen der miserablen, die Gesundheit zerstörenden Arbeitsbedingungen, gleich, ob in China oder in Europa, stellt er in Kontrast zur heutigen Produktionsweise eines Künstlers. Und auch der Einfluss der Politik wird berücksichtigt. Das Leben der Porzellanmacher während der Kulturrevolution ist genauso Gegenstand wie die von den Nazis geführte Porzellanfabrik Allach, in der KZ Häftlinge aus Dachau schufteten. Die Vergangenheit durchdringt die Gegenwart und umgekehrt. Das Buch ist weder eine nüchterne Darstellung historischer Fakten noch ein einfacher Reisebericht. Der Autor ist mit seinen Erlebnissen, seinen Befindlichkeiten und Gedanken stets präsent, und das macht Die Weiße Straße zu einer wunderbar lebendigen Lektüre.
Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt