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Autor
Thomae, Jackie

Brüder

Untertitel
Roman
Beschreibung

Auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2019

1970, zwei Kinder werden geboren: Mick und Gabriel. Die Mütter wissen nichts voneinander und die beiden Jungs, die sehr unterschiedlich aufwachsen, nichts oder nur wenig von ihrem Vater, der ein- und derselbe ist. Ende der sechziger Jahre holte die DDR aus den noch jungen Nationalstaaten Westafrikas Studenten an ihre Universitäten. Auch Idris, Micks und Gabriels Vater, kam damals aus dem Senegal und studierte in Leipzig und Ostberlin, wo er gleich zwei verschiedene Frauen schwanger zurück ließ. Jackie Thomae erzählt die Geschichte zweier sehr verschiedener Männer, mit unterschiedlichen Kindheiten, unterschiedlichen Lebenswegen, und fast konträren Strategien mit dem, was das Leben anbietet, umzugehen. Brüder ist ein bewegender, fesselnder Roman zum Thema Identität, der uns die Möglichkeit gibt, unseren Blick für Alltags-Rassismus und eingefahrene Denkmuster zu schärfen.
(Ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Hanser Verlag, 2019
Format
Gebunden
Seiten
432 Seiten
ISBN/EAN
978-3-446-26415-1
Preis
23,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Jackie Thomae, 1972 in Halle an der Saale geboren, ist Journalistin und Fernsehautorin und lebt in Berlin. 2014 erschien ihr Debütroman Momente der Klarheit. Mit Brüder steht Thomae auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2019.

Zum Buch:

1970, zwei Kinder werden geboren: Mick und Gabriel. Die Mütter wissen nichts voneinander und die beiden Jungs, die sehr unterschiedlich aufwachsen, nichts oder nur wenig von ihrem Vater, der ein- und derselbe ist. Ende der sechziger Jahre holte die DDR aus den noch jungen Nationalstaaten Westafrikas Studenten an ihre Universitäten. Auch Idris, Micks und Gabriels Vater, kam damals aus dem Senegal und studierte in Leipzig und Ostberlin, wo er gleich zwei verschiedene Frauen schwanger zurück ließ. Jackie Thomae erzählt in Brüder die Geschichte zweier sehr verschiedener Männer, mit unterschiedlichen Kindheiten, unterschiedlichen Lebenswegen, und fast konträren Strategien mit dem, was das Leben anbietet, umzugehen.

Mick ist ein charmanter Draufgänger, der jede Nacht in den angesagten Berliner Szene-Bars und auf Partys verbringt. Er ist frei, betört viele Frauen, entzieht sich erfolgreich jeglicher Verantwortung und Verbindlichkeit. Sein Leben ist das Berlin nach dem Mauerfall, ein offenes, vorurteilsfreies Berlin, in dem Aufbruchstimmung herrscht, Träume erlaubt sind und Mick ganz sicher nicht der einzige waghalsige Abenteurer ist. Dass das Geld immer wieder knapp wird, scheint nur ein vorübergehender und leicht zu behebender Zustand zu sein. Als ein guter Freund ihm anbietet, gemeinsam als „Bodypackerr“ Drogen von Südamerika nach Deutschland zu transportieren, zögert er nur kurz. Ihm ist von Anfang an klar, dass es sich hier um einen lebensgefährlichen Kurierdienst handelt. Der ewigen Geldknappheit so leicht den Rücken kehren zu können, ist jedoch einfach zu verlockend. Er sagt ja zu dem Angebot seines Freundes und diese Entscheidung wird sein zukünftiges Leben maßgeblich verändern.

Gabriel hingegen wuchs bei seinen Großeltern auf, da seine Mutter früh bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Direkt nach der Schule kehrte er Deutschland den Rücken, ging auf Reisen und wird in London ein zunehmend erfolgreicher Architekt. Aufträge aus aller Welt halten ihn in Atem und die Träume eines jeden Architekten werden für ihn wahr. Pausen gibt es keine, Schlaf nur wenig. Mitten in diesem Erfolgsrausch, der seine Tage bestimmt, begegnet er Fleur und verliebt sich. Die Begegnungen der beiden sind anfangs stockend und holprig, Fleur noch unentschieden zwischen zwei Männern, Gabriel dafür zielstrebig wie bei einem seiner Bauprojekte. Sie überwinden ihre Startschwierigkeiten und werden ein Paar. Fleur bleibt zuhause mit dem gemeinsamen Sohn und Gabriel arbeitet weiter sieben Tage die Woche. Weil das auf die Dauer aber keiner kann, spitzt sich seine Schlaflosigkeit und innere Unruhe immer weiter zu. Tag für Tag wird der unter Verschluss gehaltene Druck größer, bis zu einem Morgen, der sein Leben und all das, woran Gabriel bislang glaubte, auf den Kopf stellt.

Das in verschiedenen Brauntönen gehaltene Cover von Brüder und die Widmung „Für Euch schwarze Schafe“ deutet an, worum es der Autorin geht: Identität und welche Auswirkungen unsere Hautfarbe in welchem Umfeld auf uns haben kann. Was ist es, was uns bestimmt? Unsere Gene, unsere Erziehung, unsere Erlebnisse? Micks und Gabriels Lebenswege erteilen jeglicher Hypothese einer genetischen Disposition eine Absage , ganz so, als spielte es keinerlei Rolle, dass sie einen gemeinsamen Vater haben. Was sie jedoch teilen, ist eine Hautfarbe, die in ihrem Lebensumfeld eine Ausnahme darstellt. Und diese Erfahrung teilt auch die Autorin mit ihren Protagonisten. Das „Insider-Wissen“ darüber, wie es sich anfühlt, mit dunklerer Hautfarbe und äußeren Verweisen auf einen multiethnischen Hintergrund in Deutschland aufzuwachsen, verleiht dem Buch seine besondere Tiefenschärfe.

Familienhintergründe, setzen sich in heutigen Gesellschaften immer häufiger aus unterschiedlichen Nationalitäten zusammen. Öffentliches Nachdenken und Sprechen über Identität wird daher immer wichtiger. Jackie Thomae hat einen bewegenden, fesselnden Roman zu diesem Thema geschrieben, der uns die Möglichkeit gibt, unseren Blick für Alltags-Rassismus und eingefahrene Denkmuster zu schärfen.

Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt