Zum Buch:
In der Reihe „Gedankenspiele über…“ des Droschl Verlags ist ein wunderbarer Essay über die Faulheit erschienen. Dabei verwundert es auf den ersten Blick, dass gerade Daniela Strigl als Expertin für dieses Thema angesprochen wurde, zeugt doch ihre ungemein produktive wissenschaftliche und literaturjournalistische Arbeit von allem anderen als Faulheit. Regelmäßig schreibt sie in den Feuilletons der großen Zeitungen und Magazine, war in den Jurys der renommiertesten Literaturpreise, wie dem Bachmann-Preis, dem Deutschen Buchpreis und dem Preis der Leipziger Buchmesse, und arbeitet als Privatdozentin am Institut für Germanistik an der Universität Wien. Dass Produktivität und Faulheit aber eng verwandt sind, zeigt Strigl grandios, indem sie Kulturgeschichte und persönliche Erfahrung elegant ineinander verschränkt und so ein nicht nur höchst informatives, sondern ebenso vergnügliches Buch geschrieben hat.
Faulheit ist ein zentrales Thema aktueller Debatten, wenn sie in der Leistungsgesellschaft pathologisiert wird oder vor dem Hintergrund der Diskussionen um ein bedingungsloses Grundeinkommen ins Feld geführt wird. Darüber hinaus ist sie ein Leitmotiv während der Corona-Pandemie: mit Faulheit verbundene Zustände wie Antriebslosigkeit, Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit sind im Zusammenhang mit Lockdown, Kontaktbeschränkungen und Homeoffice in aller Munde. Strigl beginnt mit ihrer eigenen Situation als Schriftstellerin: Wieder hat sie die Möglichkeit zum Faulsein nach hinten verschoben, indem sie den Auftrag angenommen hat, einen Essay über die Faulheit zu schreiben. Nach einigem Prokrastinieren beginnt sie, indem sie einen Blick in die Kulturgeschichte wirft. Seit wann wird Faulheit eigentlich als der Ursprung allen Lasters angesehen? Was unterscheidet Faulheit von Trägheit, Müßiggang und Schlendrian? Wie hat sich die Literatur dem Thema Faulheit angenommen? Und was sagt Faulheit über das jeweilige historische Verständnis von Arbeit und die großen Erwartungen, die in die Sinnstiftung durch ein tätiges Leben gelegt werden?
An sich selbst beobachtet die Autorin ein rätselhaftes Paradox der Faulheit: Im Grunde ist der oder die Faule tatsächlich am fleißigsten, weil er oder sie stets hofft, endlich alle Pflichten erledigen zu können, um dann ungehindert faul sein zu können. Dass das in den seltensten Fällen so funktioniert, erlebt die Autorin am eigenen Leibe und kommt vor dem Hintergrund ihrer Reise durch die Geistesgeschichte der Faulheit zu dem überaus überzeugenden Schluss, dass Faulheit eine Kunst ist, keine reine Abwesenheit von Aktivität, sondern eine Form der menschlichen Freiheit, die durchdacht, geplant und gelernt sein will. Mit Daniela Strigls Lehrbuch kommen wir diesem Ideal bestimmt ein bisschen näher.
Alena Heinritz, Innsbruck