Zum Buch:
Der titelgebende Honigvogel führt Baba, den kleinen Jungen, zum Baum, in dem die Bienen wohnen. Selbstverständlich bekommt der Honigvogel seine Belohnung, denn sonst wird er Baba das nächste Mal nicht zum Honig bringen, sondern „zum Leoparden oder zum Löwen oder zu einem Schlangennest.“ Baba kennt niemandem, dem das je passiert ist, aber er „weiß, dass das passieren kann“. Dieses weitergegebene und erzählte Wissen ist unumstößlich und gibt den Kindern eine Sicherheit, die den besonderen Charme dieses schmalen Bändchens ausmacht. Denn auch wenn das Leben der Kinder in diesen Geschichten nicht immer einfach ist, so wirken sie doch in ihrer Gemeinschaft und mit ihren Freunden unglaublich gefestigt.
Das ist für Kinderohren und -augen schön zu hören und zu lesen, die fremden Namen entführen weit in den Süden, die Erlebnisse aber erinnern an die eigenen Spiele auf dem Pausenhof, an Fantasieabenteuer und Expeditionen in die Natur, an bereits gelesene Kinderbücher wie den Schweizer Klassiker vom Schellenursli, der über dem Spiel seine Ziegen vergisst und verliert. Hier ist es nun Abdi, der mit Berta auf die Weide geht und dort seine Freunde, die Hirtenjungen Azeb, Kamal, Theo und Sultan trifft. Auch sie verlieren eine Kuh, aber „bisher haben sie jede weggelaufene Kuh wiedergefunden.“ Als Kamal traurig ist, weil er nicht in die Schule gehen darf, verspricht ihm Abdi: „Ich bringe Dir Lesen und Schreiben bei.“ Da ist sie wieder, diese Zuversicht, dieses Sich-umeinander-Kümmern, dieses liebevolle Umsorgen, das in klaren Satzgefügen Leseanfängern Freude bereitet.
Die unaufdringlichen Bilder von Barbara Nascimbeni mit ihrem zarten Strich begleiten und beerichern nicht zum ersten Mal die Geschichten Nasrin Sieges. Sie scheren sich weder um Perfektionismus noch um Perspektive, sondern besitzen den spielerischen Charme von Bildern, wie sie in allzu langweiligen Schulstunden entstehen.
Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt