Zum Buch:
Sie wären in keinem Fall ein Paar geworden – oder vielleicht doch? Schließlich sind beide, Claudia und Francesco, schon in ihrer Schulzeit Außenseiter. In Apulien, wo sie aufwachsen, nennt man Menschen, die nicht dazugehören, „Spatriati“: solche, die anders sind, fremd in der eigenen Umgebung. Desiatis sprachgewaltiger Roman führt von der Küste Süditaliens über Mailand in die Clubs von Berlin und wieder zurück und erzählt von unerfüllter Liebe, Freundschaft und dem Mut zur Selbsterkenntnis. Eine verrückt liebevolle, lyrische Geschichte, die ihre Flügel über 30 Jahre Jugend spannt.
Seit Claudia weiß, dass ihr Vater sich in Francescos Mutter verliebt hat, behandelt die Tochter des Chirurgen den Sohn der Krankenschwester wie einen Bruder. Das ändert nichts an Francescos leidenschaftlicher Schwärmerei für die große Rothaarige mit der mondweißen Haut. Nach einem letzten gemeinsamen Schuljahr geht Claudia 2000 zum Studium der Wirtschaftswissenschaften nach Mailand. Francesco bleibt im Süden, bricht sein Studium in Bari ab, küsst tiefgläubig einen Messdiener im Talar und wird Immobilienmakler. Doch dann spielt das Leben Roulette, und beide müssen neu beginnen: Claudias Vater stirbt auf einem Kongress an Herzversagen, ihre Mutter räumt das Konto der Tochter leer und heiratet einen von Claudias verflossenen, betagteren Liebhabern. Francesco wird aus den apulischen Hügeln vertrieben und trifft zu Besuch bei Claudia in Berlin auf seine große Liebe. Doch das Spiel endet nie …
Es gibt keine Konstanten in den Dekaden des Erwachsenwerdens, nicht im Innen und nicht im Außen. Bei Claudia und Francesco ist es vielleicht die immer wieder aufflammende Liebe zur Lyrik, ja, und dann noch die Heimat, die man ab und an aber auch gerne verleugnen würde. Desiati geht mit den beiden jungen Leuten auf die Suche nach Freiheit − der Gefühle, der Sprache, der Liebe − und ist für Spatriati 2022 mit dem Premio Strega, dem wichtigsten italienischen Literaturpreis ausgezeichnet worden.
Susanne Rikl, München