Zur Autorin/Zum Autor:
Ursula Krechel, geboren 1947 in Trier, lebt in Berlin.
Wir schreiben das Jahr 1947. Richard Kornitzer, als Jude verfolgt und im letzten Augenblick aus Nazi-Deutschland entkommen, kehrt nach Jahren des kubanischen Exils zurück. Nicht nach Berlin, wo er früher gelebt hat, sondern nach Bettnang am Bodensee, wo seine nichtjüdische Frau Claire jetzt wohnt. Vor allem aber kehrt er zurück in ein Land, das, davon ist er überzeugt, an ihm etwas gutzumachen hat. Deutschland ist ihm etwas schuldig dafür, dass es ihn, der sich nie als Jude fühlte, zu einem solchen erklärt, seine vielversprechende juristische Laufbahn abrupt beendet, ihn zur Arbeit in einer Glühlampenfabrik und zur Emigration verurteilt und ihm schließlich seine beiden Kinder genommen hat, die mit dem Kindertransport nach England in Sicherheit gebracht wurden.
Wir schreiben das Jahr 1947. Richard Kornitzer, als Jude verfolgt und im letzten Augenblick aus Nazi-Deutschland entkommen, kehrt nach Jahren des kubanischen Exils zurück. Nicht nach Berlin, wo er früher gelebt hat, sondern nach Bettnang am Bodensee, wo seine nichtjüdische Frau Claire jetzt wohnt. Vor allem aber kehrt er zurück in ein Land, das, davon ist er überzeugt, an ihm etwas gutzumachen hat. Deutschland ist ihm etwas schuldig dafür, dass es ihn, der sich nie als Jude fühlte, zu einem solchen erklärt, seine vielversprechende juristische Laufbahn abrupt beendet, ihn zur Arbeit in einer Glühlampenfabrik und zur Emigration verurteilt und ihm schließlich seine beiden Kinder genommen hat, die mit dem Kindertransport nach England in Sicherheit gebracht wurden.
Aber das Land, in das er zurückkehrt, schert sich nicht um ihn und sein Schicksal. Hier ist jeder mit sich selbst beschäftigt, mit der Suche nach Wohnung, Nahrung, Arbeit. Und so wächst in Richard Kornitzer ein Groll, der aus ihm am Ende einen verbissenen, unglücklichen und kranken Mann macht.
Mit großem Einfühlungsvermögen beschreibt Ursula Krechel die Rückkehr des Berliner Richters Kornitzer, dessen Leben sie akribisch recherchiert hat. Präzise und empathisch zeichnet sie in sechs Kapiteln nach, was die Verfolgung alles zerstört hat: seine Ehe, die nach der langen Trennung nicht mehr richtig in Gang kommt, seine Kinder, die sich, zu klein, um die Gründe für ihre „Verschickung“ zu begreifen, von den Eltern verstoßen fühlen und beim Wiedersehen keine Nähe mehr zulassen, seine Frau, die sich trotz allen Drucks der Gestapo nicht von ihm hat scheiden lassen und deswegen ihren Beruf verloren hat, und schließlich seine eigene Würde, um deren Wiederherstellung er einen verbissenen Kampf führt. Der Roman ruft als Grundlage dieses persönlichen Dramas die Entstehungsgeschichte der Bundesrepublik in Erinnerung: die kriegszerstörten Städte, die Wohnungsnot, den Wiederaufbau und das Verdrängen. Dabei erreicht die Autorin durch ihre genaue Sprache eine atmosphärische Dichte, die mich beim Lesen in den Bann geschlagen hat.
Leider verliert sich diese atmosphärische Dichte ab dem siebten Kapitel, mit dem eine große Rückblende auf Kornitzers Berliner Leben und sein Exil in Kuba beginnt – ein ausgreifender historischer Bericht, dessen Materialfülle die Protagonisten an den Rand zu drängen und das literarische Genre eines Romans zu sprengen droht. Danach findet das Buch, auch sprachlich, keinen Anschluss mehr an die Erzählkunst der ersten Kapitel, was auch daran liegen mag, dass an die Stelle der Empathie eine Identifikation mit Kornitzer getreten zu sein scheint, die der Darstellung des seelischen und körperlichen Zerfalls seiner Persönlichkeit, seines Scheitern am Unrecht hinderlich wird.
Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main