Zum Buch:
„Wir fanden nicht mehr in unser altes Leben zurück, wir zwei, mit Blümchensex in unserem Schlafzimmer, bei dem uns niemand zusah, niemand, an dem wir zerren und reißen konnten, außer uns selbst.“
Gleich in der ersten von insgesamt zwölf Kurzgeschichten ihres von LeserInnen wie von KritikerInnen hochgelobten Debüts Cat Person macht die noch recht junge Autorin Kristen Roupenian nur allzu deutlich, dass hier kein beschauliches Sonntagmittag-Kaffeekränzchen zu erwarten ist. Vielmehr tritt sie ganz im Gegenteil bis zum Anschlag aufs Gaspedal, ohne dem Leser vorher Bescheid gegeben oder darauf hingewiesen zu haben, dass er noch nicht angeschnallt ist. In der Eröffnungsgeschichte nimmt ein Ehepaar einen Freund bei sich auf, der in einer Krise steckt und bei ihnen auf der Couch übernachtet. Irgendwann belauscht er sie beim Sex im nahegelegenen Schlafzimmer. Irgendwann lassen sie extra für ihn die Tür offenstehen, damit er zusehen kann. Dabei bleibt es dann natürlich nicht, und bald schon sind sie zu dritt zu Gange. Doch wirklich Spaß dabei hat nur das Ehepaar, der Freund wird gepeinigt und zutiefst gedemütigt. Was zunächst aus purer Langeweile heraus geschah, nimmt in rasendem Tempo Fahrt auf und mündet schon bald in eine Katastrophe, aus der niemand mehr unbeschadet herausfinden kann.
Auch wenn nicht alle Geschichten in diesem mit Spannung erwarteten Erzählband auf diese eher drastische Weise die Abgründe menschlichen Zusammenseins zur Schau stellen, geht die Autorin keineswegs behutsam mit ihren Protagonisten um. In der Titelgeschichte lässt sich eine junge Frau mit einem um viele Jahre älteren Mann ein, den sie eigentlich abstoßend findet. Dennoch glaubt sie, sich ihm eine Nacht lang hingeben zu müssen, da sie sich nicht eingestehen will, für einen Rückzieher oder den möglichen Vorwurf der Unreife zu feige gewesen zu sein.
Alle zwölf Kurzgeschichten, die in einer durchgehend nüchternen, eher zurückhaltenden Sprache erzählt sind und in ihrer Ehrlichkeit nicht mal ansatzweise Dinge zu beschönigen versuchen, die ganz einfach nicht zu beschönigen sind, bleiben am Ende offen. Das kennt man von den bekannten Größen des Shortstory-Genres nicht, lässt aber enorm viel Spielraum für eigene Spekulationen. Auch das macht Kristen Roupenians Buch zu einem besonderen, um nicht zu sagen, außergewöhnlichen. Ein anderer Grund für ihren Erfolg mag ganz einfach die Tatsache sein, dass zumindest die meisten ihrer Geschichten, so abgehoben sie mitunter auch anmuten mögen, gleich in der Nachbarschaft aufgeschnappt worden sein könnten, wenn auch hinter vorgehaltener Hand erzählt. Denn tatsächlich, man glaubt sie. Man glaubt sie sofort.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln