Zum Buch:
Emily fühlt sich als Teil ihres KünstlerIinnen-Kollektivs nicht mehr ausgelastet, die Freundschaften, die sie dort geschlossen hat, beginnen sie einzuengen, und so entschließt sie sich zu einem Befreiungsschlag. Dieser kommt in Form eines Karrierewechsels: Sie fängt bei der ebenso aufregenden wie rätselhaften Firma eXe an, deren Chefs, die sogenannten Gründerjungs, in ihrem Auftreten das Enigmatische, Willkürliche und unhinterfragbar Machtvolle perfektioniert haben.
Die Branche oder das Unternehmen zu beschreiben, das sie führen, ist an sich schon eine Herausforderung: Ist es eine Marketingfirma, die nichts vermarktet, oder ein Ort werbungsästhetischer Kunstproduktion ohne Werke und KünstlerInnen? Emily Segals Roman, der stark durch ihr eigenes Berufsleben inspiriert ist, verhandelt nicht weniger als die Absurditäten der gegenwärtigen New Yorker Arbeitswelt, in der popkulturelle Codes von Kleidung, Haltung und sozialer Positionierung Gegenstand andauernder (Selbst-) Betrachtung, Transformation und Verwerfung sind. Bei aller Schwierigkeit, die Werte oder Wertigkeiten zu beschreiben, die dieser Branche und den Personen dieses Romans wichtig sind, bleibt der Roman sehr gut lesbar und entfaltet seine Stärke gerade da, wo Segal in Gesprächen und Interaktionen ihre genauen sozialen Beobachtungen, die Relevanz ihrer Betrachtungen über den Kunst- und Werbungsmarkt hinausgehend spürbar macht.
Segals Rückläufiger Merkur beschreibt nicht nur die in der (post-)kapitalistischen Gesellschaft unmöglich oder obsolet gewordene Trennung von Selbstverwirklichung und Selbstvermarktung, sondern stellt auf bemerkenswerte Weise die Frage nach gegenwärtiger, sich im digitalen Raum verselbstständigender Kunst. Bei den Beschreibungen mag man in dem Roman eine satirische Übertreibung sehen wollen, der Ton legt hingegen eine Glaubhaftigkeit nahe, die sich nicht auf die buchstäblichen Ereignisse beziehen muss, um Wahres über unsere Zeit sagen zu können.
Theresa Mayer, Frankfurt