Zum Buch:
„Der König ist tot – es lebe der König!“ Wenn ein Monarch stirbt, wird der politische Körper auf den natürlichen Körper seines Nachfolgers übertragen. Doch was, wenn dieser Körper weiblich ist, wie im Fall Maria Theresias? Élisabeth Badinter, feministische Philosophin und Historikerin, hat mehr als sechs Jahre die Korrespondenzen von und um die Königin von Ungarn und Böhmen studiert, und das im Original, nicht in den edierten Versionen. Das Ergebnis: eine ebenso kondensiert präzise wie außergewöhnliche Analyse der Frau, die sich in ihrer Antrittsrede selbst als „Mutter des Vaterlandes“ bezeichnete.
Maria Theresia, die im Alter von 23 Jahren nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters Karl VI. am 20. Oktober 1740 die Regentschaft der Großmacht Österreichs übernimmt, wird am Wiener Hof die „Winterkönigin, die mit dem Frühling dahinschmelzen wird“ genannt. Doch der Hof, Gesandte und Spione, ganz Europa hat die Rechnung ohne die unbeugsame Seele dieser fleißigen Frau gemacht, die, zu Beginn ihrer 40-jährigen Regierungszeit in Regierungsgeschäften noch unerfahren, im Österreichischen Erbfolgekrieg hartnäckigen Widerstandsgeist und einen außergewöhnlichen Mut beweist. Später wird dies ihren ersten Angreifer und schärfsten Feind, Friedrich II. von Preußen, zu der Äußerung veranlassen: „Ich würde sterben vor Scham, wenn ich weniger Mut als die Königin von Ungarn besäße“.
Bis zu dieser Anerkennung ist es für Maria Theresia ein weiter und schwerer Weg. Denn neben ihrem politischen Körper, dem der Königin, ist sie mit dem physischen Körper einer Frau, die gebärt, in der Riege der Herrscher und Feldherren den offiziellen Stimmen nach nur zu einem gut: zum Entblößen. Doch all den ihr und ihrem Gatten angetanen Demütigungen zum Trotz wird sie die Rolle der weiblichen Herrscherin mit großem Erfolg etablieren. Ihre besondere Taktik hierbei ist die Verschränkung von Privatem und Öffentlichem: die 16 zur Welt gebrachten Kinder werden ihr öffentliches Ansehen ebenso wachsen lassen wie ihre geschickte Regentschaft über mehrere Völker.
„Der Mann des Jahrhunderts“, so wird es sich im Lauf des 18. Jahrhundert herausstellen, ist eine Frau. Maria Theresias Lebensweg als Frau, Herrscherin, Gattin und Mutter, ihre gekonnten Rollenwechsel zwischen bewusst eingesetzter Weiblichkeit und Virilität könnte niemand so spannend und mit soviel kriminologischem wie psychologischem Spürsinn beschreiben wie Élisabeth Badinter.
Susanne Rikl, München