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Ellbogen

Autor
Aydemir, Fatma

Ellbogen

Untertitel
Roman
Beschreibung

Hazal befindet sich auf allen Ebenen zwischen allen Stühlen. Im Berufsvorbereitungskurs lernt sie Bewerbungen schreiben, bei denen niemand mehr als ihren Namen lesen wird, ihre Eltern haben sich in ihrer Erinnerung an die Türkei eingerichtet, die sie selbst nur von Kurzbesuchen und Erzählungen kennt. Von Beginn an ist Hazal ortlos und fühlt sich nirgendwo dazugehörig. Doch resignieren und aufgeben kommt nicht in Frage, nicht unbedingt aus Hoffnung, sondern weil es anders nicht geht. “Mein Name ist Hazal Akgündüz, mein Thema lautet: Überleben.”
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Hanser Verlag, 2017
Seiten
272
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-446-25441-1
Preis
20,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Fatma Aydemir wurde 1986 in Karlsruhe geboren. 2007 bis 2012 studierte sie Germanistik und Amerikanistik in Frankfurt am Main. Seit 2012 lebt sie in Berlin und ist Redakteurin bei der taz. Als freie Autorin schreibt sie daneben für zahlreiche Zeitschriften, unter anderem Spex und das Missy Magazine. Bei Hanser erschien 2017 ihr Debütroman Ellbogen.

Zum Buch:

Meist hat Hazal das Gefühl, die ganze Welt gegen sich zu haben. Und im Grunde hat sie damit auch recht. Als Teenager steht sie unter konstantem Druck, sich durchsetzen oder beweisen zu müssen und zu wollen, ohne dass sich daraus eine neue Perspektive, ein gesicherter Ausgangspunkt ergeben würde. Sie befindet sich auf allen Ebenen zwischen allen Stühlen – im Berufsvorbereitungskurs lernt sie Bewerbungen schreiben, bei denen niemand mehr als ihren Namen lesen wird; ihre Eltern haben sich in ihrer Erinnerung an die Türkei eingerichtet, die Hazal selbst nur von Kurzbesuchen und Erzählungen kennt. Von Beginn an ist Hazal ortlos und fühlt sich nirgendwo dazugehörig. Doch resignieren und aufgeben kommt nicht in Frage; vielleicht nicht aus Hoffnung, sondern weil es nicht anders geht. “Mein Name ist Hazal Akgündüz, mein Thema lautet: Überleben.”

Paradoxerweise scheint es Hazals Umwelt sehr leicht zu fallen, ihr eine passende Identität und einen Platz zuzuweisen. Für den Ladendetektiv ist sie die kriminelle Ausländerin, für ihre Eltern die ungehorsame Tochter, und ihre Tante Semra denkt, aus ihr könne eine Ärztin oder Journalistin werden, in jedem Fall aber ein Musterbeispiel gelungener Integration. Und Hazal wehrt sich, so gut sie kann, wehrt sich gegen Zuschreibungen, gegen Angriffe, gegen Bevormundung, gegen die Hoffnungslosigkeit. Auch mit Gewalt. Sie verliert die Kontrolle, und kann plötzlich nicht wieder zurück. Aber es ist mehr als fraglich, ob es diesen Ort, dieses „Zurück“ überhaupt je gegeben hat. In Istanbul ist sie fremd, kennt kaum jemanden, hat keine Wohnung, keinen Plan, bald keinen Pass mehr … aber was hat sich wirklich geändert? Ihr Motto bleibt auch hier das gleiche: Überleben.

Fatma Aydemir gelingt es in diesem Buch, die Geschichte einer Jugendlichen zu erzählen, die zugleich unheimlich nah scheint und doch Autonomes und Widerständiges in sich vereint. Die Erfahrung der Orientierungslosigkeit, des Trotzes und der Auflehnung gehören wohl zu den typischen Merkmalen eines Coming-of-Age-Romans, und Aydemir macht deutlich, dass wir es hier in erster Linie mit einem solchen zu tun haben. Der Migrationshintergrund ihrer Eltern mag dabei eine Rolle spielen, aber zur Identifikationsstiftung reicht er weder für Hazal aus, noch lässt sich daraus eine Romanbeschreibung ableiten, die nicht wiederum auf vorschnellen Zuschreibungen beruhte.

Aydemir schreibt ebenso mitreißend wie einfühlsam. Ihre Personenzeichnungen bleiben unbedingt komplex und führen die LeserIn mehr als einmal zu vorschnellen Urteilen. Alles in allem ist dieser Roman allen jungen LeserInnen zu empfehlen, denn sie werden sich sicher mehr als einmal darin wiederfinden – und allen anderen wird es ebenso gehen.

Theresa Mayer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt