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Die Waldsteinsonate

Autor
Lange, Hartmut

Die Waldsteinsonate

Untertitel
Fünf Novellen
Beschreibung

„Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen.“ Mit diesem Wittgenstein-Zitat sind die fünf Novellen überschrieben, in denen Hartmut Lange die Leser in eben diese andere Welt einführt. Da es sich um Novellen handelt, steht ganz klassisch das „seltsame, unerhörte Ereignis“ im Mittelpunkt, wie es Goethe von dieser Form verlangte, aber eben auch dessen „psychologisch besonderer Charakter, seine innere seelische Bewegung und sein Geschick“, wie es Fritz Martini für die Novelle des 19. Jahrhunderts beschrieb. Und um was anders als ein „seltsames, unerhörtes Ereignis“ könnte es sich handeln, wenn zum Beispiel der – 1886 gestorbene – Franz Liszt am 1. Mai 1945 von einer ihm unbekannten Magda G. an einen ihm ebenfalls unbekannten Ort, einem sogenannten Führerbunker, eingeladen wird und diese Einladung auch annimmt?
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Diogenes Verlag, 2017
Seiten
144
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-257-06992-1
Preis
20,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Hartmut Lange, geboren 1937 in Berlin-Spandau, studierte an der Filmhochschule Babelsberg Dramaturgie. 1960 erhielt er eine Anstellung als Dramaturg am Deutschen Theater in Ostberlin. Von einer Reise nach Jugoslawien kehrte er nicht in die DDR zurück. Er ging nach Westberlin, arbeitete für die Schaubühne am Halleschen Ufer, für die Berliner Staatsbühnen und am Schiller- und am Schlosspark-Theater. Hartmut Lange wurde für seine Dramen, Essays und Prosa vielfach mit Preisen ausgezeichnet.

Zum Buch:

„Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen.“ Mit diesem Wittgenstein-Zitat sind die fünf Novellen überschrieben, in denen Hartmut Lange die Leser in eben diese andere Welt einführt. Da es sich um Novellen handelt, steht ganz klassisch das „seltsame, unerhörte Ereignis“ im Mittelpunkt, wie es Goethe von dieser Form verlangte, aber eben auch dessen „psychologisch besonderer Charakter, seine innere seelische Bewegung und sein Geschick“, wie es Fritz Martini für die Novelle des 19. Jahrhunderts beschrieb. Und um was anders als ein „seltsames, unerhörtes Ereignis“ könnte es sich handeln, wenn zum Beispiel der – 1886 gestorbene – Franz Liszt am 1. Mai 1945 von einer ihm unbekannten Magda G. an einen ihm ebenfalls unbekannten Ort, einem sogenannten Führerbunker, eingeladen wird und diese Einladung auch annimmt?

Die Welt der Unglücklichen – das ist eine Welt, in der Nietzsche in Turin einem geschundenen Pferd um den Hals fällt und es seinen „Bruder“ nennt, in der eine Magda Goebbels vor der Aufgabe steht, ihre sechs Kinder umzubringen, in der Heinrich von Kleist und Henriette Vogel die Nacht in einem Gasthaus verbringen, um den gemeinsamen Selbstmord am nächsten Tag vorzubereiten, ein junger Mann in der Psychiatrie angesichts des unendlichen „Grübeln(s) in ihm, einer Sucht, sich und die Welt, die unerklärbar sei, zu erklären“ verzweifelt und eine ermordete Jüdin mit ihrem Mörder am Wannsee turtelt. Es ist auch eine surreale, kafkaeske Welt, in der Lebende und Tote ganz selbstverständlich aufeinander treffen und sich die Lebenden mal die Hilfe der Toten erwarten, mal von den Toten über Tod und Leben belehrt werden. Das ist keine leichte Lektüre, und so mancher dürfte sich jetzt fragen, ob es sich wirklich lohnt, sich in diese düstere Welt hineinziehen zu lassen, die Fragen nach dem Sinn des Lebens und nach den im Wortsinn „letzten Dingen“ aufwirft, die man sich vielleicht lieber vom Halse hält. Aber ja: es lohnt sich. Denn die Düsterkeit des Inhalts wird von einer stilistischen Brillanz konterkariert, die das ganze Register der Sprachkunst so meisterhaft beherrscht, dass sie fast schon wieder selbstverständlich erscheint. Diese Sprache schafft die Distanz, die den gelegentlich unerträglichen Inhalt des Erzählten erträglich macht und nach dem ersten Schock ein Nachdenken ermöglicht, das sich wahrhaftig lohnt.

Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main